Was uns «Borgen» und «House of Cards» über die politischen Systeme Dänemarks und der USA lehren

Politische TV-Serien sagen einges über die Demokratiemodelle der Länder aus, in denen sie gedreht wurden.

Birgitte Nyborg.

Birgitte Nyborg in «Borgen».

Am kommenden Donnerstag wählt Dänemark ein neues Parlament. Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt hat den Wahltermin vor drei Wochen in einer «speziellen Ankündigung» bekanntgegeben.

Auch wenn die wenigsten unter uns die dänische Politik besonders nahe verfolgen, dürfte dieser Vorgang vielen TV-Zuschauern bekannt vorkommen – und zwar aus der Serie «Borgen», die auch im Schweizer Farbfernsehen ausgestrahlt wurde. In der Serie geht es um die Karriere der Politikerin Birgitte Nyborg und ihren Aufstieg zur Regierungschefin. Die Personen und Parteien sind zwar fiktiv, basieren aber auf realen Vorbildern. So diente die heutige EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager als Vorbild für die Figur Birgitte Nyborg, und ihre Sozialliberale Partei (Radikale Venstre) wird in «Borgen» zu den Moderaten (De Moderate).

«Borgen» gehört nicht nur zu den spannendsten Serien, die das Fernsehen zu bieten hat, sondern gibt auch einen interessanten Einblick in das politische System Dänemarks. Interessant vor allem, wenn man den Vergleich zieht zu einer Konkurrenz-Produktion aus den USA: «House of Cards». Die beiden Serien sind zwar ähnlich aufgebaut, unterscheiden sich aber gleichzeitig stark voneinander – so wie die politischen Systeme, von denen sie handeln.

 

Hier Ausgleich und Konsens, dort Erpressung und Bestechung

«House of Cards» handelt von Frank Underwood, einem machtsüchtigen US-amerikanischen Politiker. Ihm geht es einzig und allein darum, seinen Einfluss in Washington auszubauen. Dabei greift er gerne auf unzimperliche Methoden wie Erpressung, Bestechung und hinterhältige Lügen zurück – und geht auch schon mal über Leichen, um seine Ziele zu erreichen. Inhalte spielen dabei allerdings eine untergeordnete Rolle. Underwood bringt es auf den Punkt, als er den Zuschauern erklärt: «Leave ideology to the arm-chair generals, it does me no good.»

Frank Underwood.

Frank Underwood in «House of Cards».

Der Unterschied zur Hauptfigur bei «Borgen» könnte grösser nicht sein. Für Birgitte Nyborg geht es in der Politik in erster Linie darum, hehre Ziele wie Gleichheit und Solidarität zu verwirklichen und den eigenen Prinzipien treu zu bleiben. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie kompromisslos agiert. Im Gegenteil: Ihre Ziele versucht sie vor allem durch Ausgleich und Konsens zu erreichen.

Nun könnte man diese Unterschiede mit den Unterschieden zwischen Hollywood und skandinavischem Filmschaffen erklären. Diese Erklärung greift allerdings zu kurz: Sowohl «House of Cards» als auch «Borgen» sind stark geprägt von den jeweiligen politischen Systemen. – Die USA ist ein klassisches Mehrheitssystem: Gewählt wird im «First-past-the-post»-System, in welchem der Gewinner alles und alle anderen nichts bekommen. Dies führt zur Herausbildung eines Zwei-Parteien-Systems.

Zwei Antipoden – nicht nur im Fernsehen

Dänemark ist dagegen ein typisches Beispiel für eine parlamentarische Demokratie mit starken konsensorientierten Elementen. Das zeigt sich nicht nur im Verhältniswahlsystem, das eine faire Repräsentation aller politischen Kräfte ermöglicht. Es zeigt sich auch daran, dass innerhalb des Parlaments eine gewisse Konsenskultur herrscht. Im Gegensatz zur Schweiz hat Dänemark zwar keine Konkordanzregierung mit allen grossen Parteien, sondern wechselnde Koalitionsregierungen, die oft nur über eine knappe Mehrheit, regelmässig sogar nur eine Minderheit der Sitze im Parlament verfügen.[1] Jedoch arbeiten die Parteien – inklusive Oppositionsparteien – im parlamentarischen Prozess eng zusammen. Das zeigt sich zuweilen auch bei «Borgen», etwa wenn Nyborg für eine neue Umweltschutz-Vorlage die Unterstützung der Opposition sucht, obschon sie diese nicht bräuchte.[2]

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Dänemark und die USA in Arend Lijpharts Typologie der politischen Systeme.[3]

Schliesslich zeigt sich noch ein weiterer wesentlicher Unterschied. Die USA ist ein föderalistisch aufgebauter Staat, während in Dänemark der Zentralstaat viel mehr Gewicht hat. Tatsächlich spielen bei «House of Cards» die Bundesstaaten eine bedeutende Rolle, obschon die wichtigsten Figuren allesamt in Washington sind. So ist die Frage, wer Gouverneur in einem Staat werden soll, von grosser Wichtigkeit. Dagegen spielen bei «Borgen» die Regionen praktisch gar keine Rolle. Es ist nicht einmal klar, in welchen Wahlkreisen die Protagonisten gewählt werden.

In der bekannten Typologie von Arend Lijphart ist die USA daher in der Kategorie föderalistisches Konkurrenzsystem unten rechts zu verorten. Währenddessen ist Dänemark mit seinem konsensorientierten Einheitsstaat oben links angesiedelt (genauso wie die anderen nordischen Länder). Die USA und Dänemark bilden somit, was das politische System anbelangt, Antipoden. Ebenso wie «House of Cards» und «Borgen» zwei gegensätzliche Welten darstellen.

 


[1] Minderheitsregierungen sind auch deshalb häufig, weil die Regierung nicht die explizite Unterstützung des Parlaments braucht, sondern lediglich keine Mehrheit gegen sich haben darf. Aktuell bilden Sozialdemokraten, Sozialliberale und die Sozialistische Volkspartei die Regierung, haben aber keine Mehrheit im Parlament.

[2] Traditionell versuchen die Vertreter der vier grössten Parteien möglichst, einen Konsens untereinander zu finden. Dieses Prinzip ist als «Glidningspolitik» bekannt (Arend Lijphart [1977]: Democracy in Plural Societies). Inwiefern dieses Prinzip heute noch zur Anwendung kommt, ist allerdings nicht bekannt.

[3] Arend Lijphart (1999): Patterns of Democracy. Government Forms and Performance in Thirty-Six Countries.

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