Monthly Archives: January 2014

Selbstgerechte Kritik am schwedischen Flugmanöver

Dass Saab Geld in den Gripen-Abstimmungskampf steckt, sorgt bei Schweizer Parlamentariern für Empörung. Dabei haben sie dem schwedischen Konzern selbst die Startfreigabe erteilt.

Nein, man werde sich nicht direkt engagieren im Abstimmungskampf über den Gripen-Kauf, hiess es bei Saab im Mai letzten Jahres. Es sei keine gute Idee, sich als Unternehmen direkt einzumischen, erklärte Henry Johansson, Vizepräsident von Gripen Schweiz, damals der Nachrichtenagentur sda.

Mit Plakaten wirbt Saab für seinen Kampfjet.Bild: Blick Online

Mit Plakaten wirbt Saab für seinen Kampfjet. Bild: Blick Online

Tatsächlich mischt sich der schwedische Konzern nicht in die Abstimmung vom 18. Mai ein. Nicht im Geringsten. Er stellt lediglich Plakate auf, auf denen er für sein Flugzeug wirbt. Das sei keine Abstimmungskampagne, klärt uns Saab auf. Man liefere bloss «Fakten und Informationen zum Gripen».

Wo hier der Unterschied zu einer Abstimmungskampagne liegt, wird zwar nicht wirklich klar. Aber es ist im Prinzip auch wenig verwunderlich, dass ein Unternehmen nicht untätig herumsitzt, wenn gerade ein 3,1-Milliarden-Franken-Auftrag auf dem Spiel steht. Bei Schweizer Politiker kommen die «Fakten und Informationen» von Saab dennoch nicht besonders gut an. SP-Nationalrätin Evi Allemann findet es «skandalös, dass sich eine ausländische Rüstungsfirma derart stark und offensichtlich gar mit einer eigenen Kampagne in einen nationalen Abstimmungskampf einmischt». Und selbst Befürworter des Gripen-Kaufs üben Kritik. Das Engagement aus Schweden sei «kontraproduktiv», sagt etwa FDP-Präsident Philipp Müller. Die gleiche Formulierung verwendet sein Kollege Thomas Hurter von der SVP.

Die einhellig vorgetragene Kritik irritiert. Die Parlamentarier nehmen die «Einmischung» aus dem Ausland aufs Korn, gleichzeitig weigern sie sich aber seit Jahren, ebendiese Einmischung klaren Regeln zu unterstellen. Dies liesse sich relativ leicht im Rahmen einer nationalen Regulierung der Politikfinanzierung machen – eine solche existiert in der Schweiz jedoch bis heute nicht. Und die Parteien zeigen keinerlei Interesse, daran etwas zu ändern. Warum auch, es ist schliesslich viel bequemer, wenn die Grossspenden in die eigene Parteikasse weiterhin im Dunkeln bleiben und man dafür nicht noch gegenüber den Wählern Rechenschaft ablegen muss.

Damit unterscheidet sich die Schweiz von praktisch allen europäischen Demokratien, in denen eine Regulierung der Politikfinanzierung auf nationaler Ebene existiert. Die meisten dieser Länder kennen auch Restriktionen für Spenden aus dem Ausland, wie eine Auswertung der Datenbank der Organisation International IDEA zeigt. Demnach sind in 30 von 44 europäischen Staaten Beiträge aus dem Ausland an politische Parteien ganz oder teilweise verboten (siehe Grafik). Bei Spenden an einzelne Kandidaten sind es 26. Dabei unterscheiden sich die Regeln von Land zu Land. So sind in Frankreich sämtliche Spenden ausländischer Staaten und Unternehmen verboten, nicht aber Spenden von natürlichen Personen. In Grossbritannien dagegen sind Spenden von natürlichen Personen, die nicht britischer Nationalität sind und nicht im Land wohnen, verboten. Beiträge ausländischer Unternehmen wiederum sind erlaubt, sofern sie eine Niederlassung in Grossbritannien haben und dort geschäftlich tätig sind.[1]

Die Regulierung ausländischer Spenden an politische Parteien in 44 europäischen Ländern. Grün bedeutet: Spenden aus dem Ausland sind verboten. Rot bedeutet: Spenden aus dem Ausland sind erlaubt.Bild: International IDEA

Die Regulierung ausländischer Spenden an politische Parteien in 44 europäischen Ländern. Grün bedeutet: Spenden aus dem Ausland sind verboten. Rot bedeutet: Spenden aus dem Ausland sind erlaubt. Bild: International IDEA

Das Skandalöse an den Plakaten von Saab ist nicht, dass sich ein ausländischer Konzern in einen Abstimmungskampf in der Schweiz einmischt. Man kann über ein solches Engagement geteilter Meinung sein, jedenfalls ist es legal. Das Parlament hat bisher keine Anstalten gemacht, dass sich daran etwas ändert.

Stossend ist vielmehr, dass hierzulande bisher überhaupt keine Diskussion darüber stattfindet, wie mit der Finanzierung von Wahl- und Abstimmungskämpfen aus dem Ausland umgegangen werden soll. Sollen Spenden aus anderen Staaten generell erlaubt sein? Oder nur unter bestimmten Bedingungen? Oder überhaupt nicht? Sollen solche Beiträge offengelegt werden müssen oder dürfen sie weiter geheim erfolgen?

Das Fehlen einer öffentlichen Diskussion wurde in diesem Blog bereits vor zwei Jahren kritisiert. Seither hat sich an der Situation nichts geändert. Politiker empören sich lieber über einzelne Fälle, die ans Licht kommen, anstatt sich grundsätzlich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Zu hoffen ist, dass der Gripen-Abstimmungskampf die längst fällige Debatte über Politikfinanzierung aus dem Ausland in Gang setzt. Das wäre der beste Gefallen, den Saab der Schweiz mit dieser Kampagne machen kann.


[1] Die detaillierten Daten können hier (Spenden an Parteien) bzw. hier (Spenden an Kandidaten) eingesehen werden.

Über 600 Politikern geht die SVP-Initiative zu wenig weit

Derzeit engagieren sich kaum Politiker ausserhalb der SVP für ihre Einwanderungs-Initiative. Doch diese Zurückhaltung täuscht. Eine integrale Smartvote-Auswertung zeigt ein ungleich bunteres Bild: Hunderte Politiker von links bis rechts würden weitaus griffigeren Massnahmen zustimmen.

Kurz vor Weihnachten hat ein überparteiliches Unternehmer-Komitee zur Unterstützung der SVP-Volksinitiative «gegen Masseneinwanderung» geladen. Bloss, für das «Überparteiliche» musste einzig der parteilose Ständerat Thomas Minder hinhalten, der ebenfalls in der SVP-Fraktion politisiert. Ansonsten gesellten sich keine Wirtschaftskapitäne ausserhalb der Volkspartei zwischen Baumeister This Jenny und Investor Christoph Blocher.

Kaum heterogener tritt das «überparteiliche Abstimmungskomitee» auf: Die über hundert Personen starke Truppe gleicht der Präsenzliste einer SVP-Delegiertenversammlung. Unbemerkt sitzen bloss ein FDP- und zwei Lega-Vertreter einsam in den Reihen. Ein Schweizer Demokrat eilt verspätet hinzu.

Grund für die breite Allianz von den Grünen bis zur FDP wider die «Abschottungsinitiative», sich bis zum Abstimmungssonntag vom 9. Februar zurückzulehnen, besteht indes kaum. Denn das Unbehagen über steigende Zuwanderungszahlen in den letzten Jahren stellt längst kein SVP-Monopol mehr dar. Wie eine Erhebung der Smartvote-Fragebogen aller Kandidaten der nationalen Parlamentswahlen 2011 zeigt, geht die SVP-Initiative gar über 600 Kandidierenden und Politikern zu wenig weit. Alle diese haben die folgende Frage mit «ja» oder «eher ja» quittiert:

Eine Volksinitiative möchte die Zuwanderung regulieren und das migrationsbedingte Bevölkerungswachstum auf 0.2% pro Jahr beschränken. Unterstützen Sie diese Initiative?

Das skizzierte Begehren entspricht der «Ecopop»-Volksinitiative, sozusagen der griffigen «Durchsetzungsinitiative» zur aktuellen SVP-Vorlage, die ihrerseits keine nominellen Beschränkungen zur Einwanderung macht. Der Zweitschlag wird im Wahljahr 2015 vors Volk gelangen, womöglich – deswegen – auch erst 2016.

Von den 626 erhobenen zuwanderungskritischen Politikern stammt freilich an ansehnlicher Teil aus SVP-Listen und Rechtsparteien. Doch auch 235 Politiker aus AL, BDP, CVP, EVP, FDP, GLP, Grünen, Piraten bis zur SP befürworten griffigere Bremsen. Im Folgenden sind aus jener Gruppe diejenigen 131 Repräsentanten aufgelistet, die ein bestimmtes Amt innehaben (Download komplette Liste):

Kanton Name Partei Amt
GE Chantal Gasser AL Gründungsmitglied
AG Lukas Wopmann BDP Grossrat
AG Bernhard Guhl BDP Nationalrat
AG Michael Kayser BDP Vizepräsident BDP Muri
AG Ursula Jost BDP Vorstand BDP AG
BE Mathias Kohler BDP Grossrat
BE Mathias Tromp BDP Grossrat
BE Peter Eberhart BDP Grossrat
BE Anita Luginbühl-Bachmann BDP Grossrätin
BE Urs Gasche BDP Nationalrat
BS Ruedi Loosli BDP Vizepräsident BDP BS
SG Thomas Zwicky BDP Vorstand BDP SG
VD Martin Chevallaz BDP Präsident BDP VD
ZH Ivo Koller BDP alt Gemeinderat
ZH Daniel Stahl BDP Gemeinderat
ZH Peter Vollenweider BDP Grosser Gemeinderat
ZH Daniel Brunner BDP Vorstand BDP ZH
ZH Wolfgang Kweitel BDP Vorstand BDP ZH
AG Christine Hehli Hidber CVP Vizepräsidentin CVP Lenzburg
BE Adriano Guerrieri CVP Vorstand CVP BE
BL Peter H. Müller CVP Landrat
LU Pius Segmüller CVP alt Nationalrat
LU Bernadette Bründler-Lötscher CVP Kantonsrätin
SG Monika Lehmann-Wirth CVP Kantonsrätin
SG Jakob Büchler CVP Nationalrat
SO Peter Brotschi CVP Kantonsrat
SO Theophil Frey CVP Kantonsrat, Gemeindepräsident
SZ Pius Schuler CVP Kantonsrat
UR Isidor Baumann CVP Ständerat
VD Sylvie Villa CVP alt Grossrätin
VD Valentin Muller CVP Gemeinderat
VS Benno Meichtry CVP Grossratssuppleant
VS Marcel Meichtry CVP Vizepräsident CVP Bez. Leuk
ZH Charles Zürrer CVP alt Bezirksrat
ZH Dominic Müller CVP Gemeinderatspräsident
ZH Christoph Holenstein CVP Kantonsrat
BE Markus Grossen EVP alt Grossrat
BE Lorenz Kopp EVP Gemeinderat
BL Peter Buess-Siegrist EVP Einwohnerrat
LU Gerardo Raffa EVP Präsident EVP LU
SG Roman Rutz EVP GL EVP Schweiz, Vorstand jevp Schweiz
SG Irene Gubelmann EVP Vizepräsidentin EVP SG
TG Fritz Rupp EVP Kantonsrat
TG Wolfgang Ackerknecht EVP Kantonsrat
VD Steve Tanner EVP Gemeinderat
VD David Baumeler EVP Vorstand EVP VD
ZH Ruth Gsell-Egli EVP Schulpflegerin
ZH Mark Eberli EVP Stadtrat
ZH Daniel Elsener EVP Vorstand EVP ZH
ZH Judith Alder-Schäfli EVP Vorstand EVP ZH
AG Ulrich Bürgi FDP Einwohnerrat
AG Adrian Meier FDP Präsident FDP Bez. Kulm
AG Martin Hächler FDP Präsident FDP Laufenburg Zeihen
AG Barbara Urech-Eckert FDP Vorstand FDP AG
BE Christa Grubwinkler FDP Gemeinderätin
BE Mario Imhof FDP Stadtrat
BL Patrick Schäfli FDP Landrat
SO Rolf Kissling FDP Gemeindepräsident
SO André Ackermann FDP Vorstand Handelskammer SO
VD Julie Baudet FDP Gemeindepräsidentin
VD Jacqueline Rostan FDP Gemeinderätin
VD Mercédès Assal FDP Gemeinderätin
VD Dominique Bonny FDP Grossrat
VD Véronique Hurni FDP Grossrätin
VD Nicolas Leuba FDP Präsident FDP Pully
ZH Martin A. Huber FDP Gemeinderat
ZH Andrea Müller FDP Präsident FDP Bez. Horgen
ZH Peter Wild FDP Vizepräsident FDP Bez. Dielsdorf
AG Peter Schuhmacher GLP alt Grossrat
AG Alain Thiébaud GLP Gerichtsschreiber
AG Felix Jenni GLP Grossrat
AG Sander Mallien GLP Grossrat
AG Markus Lang GLP Präsident GLP Brugg
AG Daniel Schambron GLP Vorstand GLP Schweiz
BL Stephan Nigg GLP alt Landrat
BS Theres Zigerlig GLP Bürgergemeinderätin
BS Emmanuel Ullmann GLP Grossrat
GE Jacques Fritz GLP alt Gemeindepräsident
GE Domenico Clemente GLP alt Gemeinderat
GR Josias F. Gasser GLP Nationalrat
GR Simon Casutt GLP Vizepräsident GLP GR
SG Erika Häusermann GLP Kantonsrätin
SO René Kühne GLP Präsident GLP SO
VD Aurélien Demaurex GLP Gemeinderat
VD Pierre Ethenoz GLP Gemeinderat
VD Lena Lio GLP Gemeinderätin
VD Isabelle Chevalley GLP Nationalrätin
ZH Beni Schwarzenbach GLP Kantonsrat
ZH Andreas Kriesi GLP Delegierter Bonstetten
ZH Karin Joss GLP Präsidentin GLP Bez. Dielsdorf
ZH Corinne Leuenberger GLP Vorstand GLP Bez. Uster
AG Jörg Villiger Frey Grüne Grossrat
BE Michel Seiler Grüne Gemeindepräsident
LU Valentin Arnold Grüne Co-Präsident Grüne Willisau
LU Andreas Hofer Grüne Kantonsrat
SO Doris Häfliger Grüne Kantonsrätin
SO Gabriela Weber Grüne Präsidentin Grüne Thal-Gäu
SZ Toni Reichmuth Grüne Präsident Grüne SZ
TI Pierluigi Zanchi Grüne Gemeinderat
VD Jean-Marc Chollet Grüne Grossrat
ZH Felix Walz Grüne alt Kantonsrat
ZH Karin Fehr Grüne Co-Präsidentin Grüne Bez. Hinwil
ZH Frank Beat Keller Grüne Schulpfleger
GR Leandro Buchmann JBDP Vorstand BDP Chur
AG Sven Strebel JCVP Präsident JCVP AG
AG Manfred Winiger JCVP Vizepräsident JCVP AG
BS Lukas Strickler JCVP Einwohnerrat, Vizepräsident JCVP BS
VS Pascal Kalbermatten JCVP alt Vizepräsident JCVP Schweiz
ZH Tobias Brütsch jevp Vorstand jevp Schweiz
ZH Michael Stöckli jglp Kerngruppe JGLP ZH
BE Andreas Kraml Jungfreisinn Co-Vizepräsident FDP Bern
LU Yvonne Ruckli Jungfreisinn Präsidentin JF Luzern
VS Sabrina Ianniello Jungfreisinn Vizepräsidentin JF VS
ZH Marco Järmann Jungfreisinn Gemeinderat
ZH Sasa Karalic Jungfreisinn Präsident JF Limmattal
ZH Martin Locher Jungfreisinn Präsident JF Pfäffikon
ZH Benjamin Nepomuk (Nepi) Lepri Jungfreisinn Vizepräsident JF Bez. Horgen
ZH Sharon Schmid Jungfreisinn Vorstand JF Uster
ZH Christian Zulliger Jungfreisinn Vorstand JF ZH
BS André Auderset LDP Grossrat
SO Christoph Pfluger parteifrei Verleger “Zeitpunkt”
ZH Hans-Jacob Heitz parteifrei alt BVGer-Richter
BE Georg Max (Jorgo) Ananiadis Piraten Vizepräsident Piraten BE
BE Pascal Vizeli Piraten Vorstand Piraten Schweiz
ZH Thomas Peter Piraten Vorstand Piraten ZH
BE Mess Barry Second@s Stadtrat
AG Samuel Schmid SLB Präsident SLB Schweiz
BE Patric Bhend SP Grossrat
SH Patrick Portmann SP Einwohnerrat
ZH Uwe Scheibler SP ehem. Geschäftsführer Rheinaubund
ZH Jacqueline Badran SP Nationalrätin

Der komplette Datensatz als Excel-Tabelle sowie als als PDF.