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Der Fürst droht, das Volk spurt

Das Schloss Vaduz. Bild: fisherbray (Flickr)

Formell stimmt die Bevölkerung Liechtensteins am 1. Juli über eine Volksinitiative ab, welche die direkte Demokratie stärken will. Bisher hat der Landesfürst bei Gesetzes- und Verfassungsänderungen stets das letzte Wort. Als Staatsoberhaupt muss er jedes Gesetz sanktionieren und hat somit ein Vetorecht.

Die Volksinitiative «Ja – damit deine Stimme zählt» fordert, dass dieses Vetorecht bei Volksabstimmungen abgeschafft wird[1], so dass die Stimmbürger bei Volksentscheiden auch tatsächlich entscheiden können, ohne auf das Wohlwollen des Fürsten angewiesen zu sein.

Formell geht es im Ländle also um eine bescheidene Anpassung der bestehenden Regeln. Faktisch geht es aber längst um viel mehr: Erbprinz Alois hat aus der Volksabstimmung kurzerhand ein Plebiszit über Sein oder Nichtsein der Monarchie gemacht, indem ankündigte, das Fürstenhaus werde die politische Verantwortung vollständig abgeben, sollte die Initiative angenommen werden. Das Ergebnis der Abstimmung steht damit faktisch schon fest, denn die meisten Liechtensteiner – auch jene, die eine Ausweitung der Volksrechte befürworten – stehen hinter der Staatsform der Monarchie. Für eine geringfügige Verfassungsänderung werden sie diese nicht aufs Spiel setzen wollen.

Mit seiner Ankündigung greift Alois auf ein bewährtes Mittel zurück: Auch sein Vater, Fürst Hans-Adam II., wusste Einschüchterung als Mittel zu nutzen, um seine politischen Ziele zu erreichen: Die neue Verfassung – welche die Macht des Fürsten deutlich ausweitete – boxte er 2003 durch, indem er dem Stimmvolk für den Fall einer Ablehnung mit dem Wegzug drohte. Angesichts des Rückhalts, den die Monarchie in der Bevölkerung geniesst, muss die Zustimmung von 65 Prozent der Stimmberechtigten geradezu als Enttäuschung gewertet werden.

Nun wiederholt sich also das ganze Spiel: Der Fürst droht – und die Volksabstimmung wird zur Farce. Schon das Vetorecht ist ein Affront gegen die Volksrechte. Aber Volksentscheide mit Drohungen zu verknüpfen steht in eklatantem Widerspruch zu jedem Verständnis von Demokratie.

In einer Volksabstimmung haben die Stimmbürger die Wahl zwischen dem bestehenden Recht und einer Änderung des Gesetzes bzw. der Verfassung. Wer – wie Alois – diese Frage willkürlich mit einer ganz anderen verknüpft, verletzt das Prinzip der unverfälschten Stimmabgabe. Die Bürger können am 1. Juli nicht frei ihre Meinung zum fürstlichen Vetorecht abgeben. Vielmehr nehmen sie an einer erzwungenen Vertrauensabstimmung teil, deren Ergebnis nichts mit der eigentlichen Fragestellung zu tun hat.

Am 1. Juli wird eine Mehrheit der Liechtensteiner dem Fürsten das Vertrauen aussprechen und die Volksinitiative notgedrungen ablehnen. Den Entscheid kann man gut finden oder schlecht. Doch demokratisch ist er nicht.


[1] Bei Parlamentsentscheiden bliebe das Vetorecht bestehen.