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Amerika hat kein Problem mit brieflichem Wählen – sondern mit Wählen

Donald Trump hat einen Sündenbock für eine allfällige Niederlage im November ausgemacht: die briefliche Stimmabgabe. Doch die Mängel des US-Wahlsystems liegen anderswo.

Louis DeJoy ist nicht zu beneiden. Als Chef der US-amerikanischen Post muss er gewährleisten, dass alle Briefe pünktlich ankommen. Als Intimus von Präsident Donald Trump muss er zugleich erklären, dass ihm das womöglich nicht gelingt. Den lokalen Wahlbehörden teilte er bereits mit, dass Wahlkuverts nicht mehr automatisch prioritär behandelt würden.

Auf Gedränge beim Wählen haben dieses Jahr viele Amerikaner keine Lust. (Foto: Don Shall)

Bei den Wahlen am 3. November werden so viele US-Amerikaner ihre Stimme auf dem Postweg abgeben wie noch nie. 43 Gliedstaaten erlauben die briefliche Stimmabgabe allen Bürgern; in 9 davon werden die Wahlzettel für die briefliche Stimmabgabe automatisch allen (registrierten) Wählern zugesandt, in 34 muss zwar ein formeller Antrag gestellt, aber kein bestimmter Grund angegeben werden. Die restlichen 7 Staaten erlauben die briefliche Stimmabgabe nur unter bestimmten Bedingungen. Angesichts der Covid-19-Pandemie haben mehrere Staaten die Briefwahl erleichtert.

Zugleich ist die Briefwahl aber so umstritten wie noch nie. Trump argumentiert, dass sie Manipulationen Tür und Tor öffne, und prophezeite bereits die «ungenauesten und gefälschtesten Wahlen der Geschichte», sollte die briefliche Stimmabgabe allgemein erlaubt werden. Dass es bei der Briefwahl zu Problemen kommen kann, ist nicht von der Hand zu weisen. So kam es bei den Vorwahlen der Demokraten im Staat New York im Juni zum Chaos, nachdem die Wahlzettel zu spät verschickt worden waren und die Post die aufgegebenen Kuverts nur selektiv mit einem Poststempel versehen hatte. Es dauerte über einen Monat, bis das offizielle Resultat vorlag. Das stimmt wenig zuversichtlich für das ungleich grössere Unterfangen einer nationalen Wahl im November. Die Regeln und die Organisation der Wahlen sind in den USA stark dezentralisiert, und nicht überall dürften die Wahlbehörden der Gliedstaaten und Counties gleich gut vorbereitet sein auf die Masse der Briefstimmen.

Wochenlange Ungewissheit

Das Auszählen der Briefstimmen nimmt erfahrungsgemäss längere Zeit in Anspruch. In 14 Staaten darf damit erst am Wahltag begonnen werden. Mancherorts zählen Briefstimmen auch dann, wenn sie am Wahltag abgeschickt werden und erst Tage später beim Wahlbüro sind. Richard Hasen, Rechtsprofessor an der University of California in Irvine und Autor des Buches «Election Meltdown», befürchtet deshalb ein wochenlanges Ringen um die Auszählung im Nachgang der Wahlen.

Hinzu kommt: In der Vergangenheit wählten vor allem junge, urbane Bürger brieflich – eine Gruppe, die zu den Demokraten tendiert.[1] Bei einem knappen Wahlausgang ist das Szenario denkbar, dass die am Wahlabend ausgezählten Stimmen auf einen Sieg Trumps hindeuten, die in den Folgetagen hinzukommenden aber mehrheitlich an Joe Biden gehen. Vor diesem Hintergrund könnte Trumps Angriff auf die Briefwahl darauf zielen, eine allfällige Aufholjagd seines Kontrahenten als abgekartetes Spiel darzustellen und gegen das Schlussresultat rechtlich vorzugehen – oder gar die Auszählung frühzeitig zu stoppen.

Hohe Akzeptanz in der Schweiz

Vielleicht hilft ein Blick auf die Schweiz, um zu verstehen, warum sich die USA so schwertun mit der brieflichen Stimmabgabe. Hierzulande ist es bei nationalen Abstimmungen und Wahlen seit 1994 voraussetzungslos möglich, seine Stimme auf postalischem Weg abzugeben. Inzwischen ist die briefliche Stimmabgabe zum beliebtesten Stimmkanal geworden. Weit über 80 Prozent der Teilnehmenden bei Wahlen und Abstimmungen geben ihre Stimme brieflich ab.

Allerdings gab es auch in der Schweiz lange Diskussionen über Sinn und Sicherheit der Briefwahl. Nach der Gründung des Bundesstaats 1848 setzte sich zunächst die Wahl an der Urne gegen die Praxis der Wahl- bzw. Abstimmungsversammlungen durch. Nach zwei gescheiterten Versuchen 1936 und 1947 wurde 1967 die briefliche Stimmabgabe erstmals in Ausnahmefällen für Kranke, Gebrechliche und ortsabwesende Personen erlaubt.[2] Mit der Einführung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte 1978 genügte für die briefliche Stimmabgabe ein einfacher Antrag, eine Begründung war nicht mehr nötig. Von da war es kein grosser Schritt mehr zur heutigen Regelung. National- und Ständerat machten 1990 mit der Annahme zweier Motionen den Weg dazu frei.

Die briefliche Stimmabgabe geniesst heute eine hohe Akzeptanz – auch wenn immer wieder Fälle von Manipulationen ans Licht kommen. So flog bei den Wahlen 2017 im Wallis ein SVP-Anhänger auf, der über 100 Wahlkuverts aus Briefkästen gefischt und die Zettel selber ausgefüllt hatte. Grössere Manipulationen dieser Art fliegen aber schnell auf. Potenziell grössere Verschiebungen sind durch Unregelmässigkeiten im Stimmbüro möglich, wie es sie bei den Grossratswahlen im Kanton Thurgau gab. Dieses Problem betrifft dann aber nicht primär den brieflichen Stimmkanal.

Eine Schwäche bei der brieflichen Abstimmung ist, dass das Stimmgeheimnis nicht garantiert werden kann. Es besteht die Möglichkeit, dass Bürger ihren Stimmzettel jemandem zeigen, bevor sie ihn abschicken, oder dass er gar von einer anderen Person ausgefüllt wird. Auch dieses Problem ist allerdings nicht auf diesen Stimmkanal beschränkt, denn auch wer an der Urne abstimmt, füllt seinen Stimmzettel in der Regel zu Hause aus. Hier besteht ein wesentlicher Unterschied zu den USA, wo man seine Stimme traditionell in einer Kabine im Wahllokal abgibt.[3]

Drei Millionen illegale Stimmen?

Was die Sicherheit betrifft, gibt es in den USA keine Hinweise auf grossflächige Manipulationen durch die Briefwahl. Eine Datenbank von News21 listet 491 Fälle von Fälschungen zwischen 2000 und 2012 auf, dies bei mehreren Milliarden abgegebenen Stimmen. Dafür, dass drei Millionen briefliche Stimmen illegal abgegeben werden können, wie dies Trump nach den Wahlen 2016 vermutete, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Tatsächlich dürfte die Zahl der Wahlberechtigten, die an den Hürden zur Stimmabgabe scheitern – insbesondere wenn sie die Dokumente nicht haben, die für den Eintrag ins Wählerregister erforderlich sind –, ungleich höher sein als die Zahl jener, die nur schon versuchen, illegal eine Stimme abzugeben.

Das alles legt nahe, dass der Streit um die Briefwahl in den USA weniger mit der Briefwahl an sich zu tun hat als mit den Wahlen im Allgemeinen. Der Konflikt um den Wahlmodus ist eingebettet in eine grössere Debatte darüber, wer unter welchen Bedingungen wie wählen kann. Keine Demokratie verbringt mehr Zeit mit politischem und juristischem Seilziehen darüber, wie leicht oder schwer der Eintrag ins Wahlregister sein soll, wie die USA. In kaum einem Land betreiben Parteien einen ähnlichen Aufwand, Wahlkreise so zu ziehen, dass das Stimmengewicht der Wähler der jeweils anderen Partei möglichst gering ist. Und kein Land hat eine ähnlich lange und traurige Geschichte von Massnahmen, um Minderheiten von der Ausübung ihrer politischen Rechte abzuhalten. Von teils stümperhafter Organisation, fehlendem Personal, veralteter und unsicherer Infrastruktur ganz zu schweigen.

Ja, die USA steuern auf massive Probleme am 3. November zu. Mit der Briefwahl haben sie aber herzlich wenig zu tun.

 


[1] Unter Pandemie-Bedingungen könnte sich dieses Muster allerdings ändern: Ältere Wähler könnten stärker geneigt sein, den Gang an die Urne zu vermeiden.

[2] Die Informationen dieses Absatzes stammen aus: Andreas Glaser und Clio Zubler (2020): «Briefliche und elektronische Wahl – Problemfelder des Wahlverfahrens in der Schweiz», in: Andreas Glaser und Lorenz Langer (Hrsg.): Das Parlamentswahlrecht als rechtsstaatliche Grundlage der Demokratie, Zürich/St. Gallen, S. 147-174.

[3] Zumindest theoretisch besteht die Möglichkeit auch in einigen Schweizer Kantonen, wobei sie in der Praxis selten genutzt wird.

Die Bündner Regierung stellt beim Wahlsystem Macht über Weitsicht

Graubünden braucht ein neues Wahlsystem. Der Vorschlag des Regierungsrats ist zwar im Interesse der dominierenden Parteien, aber kaum im Sinne der Bürger.

Ein Gastbeitrag von Clau Dermont[*], publiziert in der «Südostschweiz» vom 26. September 2020.

Die Bündner Regierung hat jüngst den mit Spannung erwarteten nächsten Schritt bei der Korrektur des Bündner Wahlsystems publiziert. Geworden ist es ein Rückschritt, der die Interessen der FDP, CVP und BDP schützt. Machtpolitisch ist klar, dass die Regierung so den Weg des geringsten Widerstands gewählt hat, denn die drei bürgerlichen Parteien haben im Grossen Rat eine satte Mehrheit (und vier von fünf Regierungssitzen). Ein neues Wahlsystem ohne mindestens eine dieser Parteien ist also nicht umsetzbar. Juristisch sind immer noch viele Fragen offen. Ob das vorgeschlagene Mischsystem mit Majorz und Proporz vom Bundesgericht akzeptiert wird, ist zumindest fraglich, wie die Regierung selbst auch schreibt.

Santa Maria in Calanca: die Leerstimmen-Hochburg des Bündner Majorzes (Foto: genevieve.bc)

 

Doch was sind die demokratischen Folgen? Das möchte ich in diesem Beitrag aufgreifen, um so zwischen den Zeilen des Modells E zu lesen, was die greifbaren Folgen für die Bevölkerung und ihre Vertretung in Chur sind. Als Grundlage dienen mir drei Stichworte und Kennzahlen.

Repräsentation: 39 vs. 74 Prozent

Die Regierung stützt mit dem Modell E unmissverständlich die Interessen der FDP, CVP und BDP. Diese drei Parteien haben bei den Nationalratswahlen 2019 einen Wähleranteil von gerade mal 39 Prozent erreicht. Im Grossen Rat haben sie aber 89 von 120 Sitzen, also 74 Prozent. Kein anderer Kanton hat so eine deutliche Verzerrung zwischen dem proportionalen Resultat der Nationalratswahlen und der Vertretung im Parlament – dank dem heutigen Majorzsystem. Diese Machtbasis wollen diese Parteien verteidigen, folglich sträuben sie sich gegen ein repräsentativeres System, wie beispielsweise das Modell C mit Doppelproporz.

Erschwerend für die Repräsentativität des Grossen Rates kommt hinzu, dass die Auswahl in den Kreisen häufig sehr gering ist. In den kleinen Kreisen treten wenig Personen an, denn häufig haben nur eine oder zwei Parteien realistische Chancen auf eine Wahl. Wer nicht gerade die lokal dominierende CVP oder FDP wählen möchte, hat also kaum Auswahl. Eine tiefe Partizipation und ein hoher Leerstimmenanteil sind die Folge. So waren 2018 in Santa Maria in Calanca 38 Prozent der abgegebenen Wahlzettel leer. Diese Bündner Eigenart wird mit dem neuen System sogar gestärkt: Mittelgrosse Kreise werden weiter aufgespalten, was die Auswahl und politische Vielfalt weiter einschränken wird und das Repräsentationsdefizit weiter verschärft.

Fraktionsdisziplin: Höher als im Nationalrat

Begründet wird dies mit dem Bündner Bonmot «Köpfe statt Parteien». Doch eine Auswertung des Abstimmungsverhaltens im Grossen Rat im Vergleich zum Nationalrat zeigt, dass dies schlicht nicht die politische Realität widerspiegelt (siehe Grafik): Die Debatten und Entscheidungen im Bündner Grossen Rat werden von den Parteien geprägt. Die Fraktionsdisziplin, also die Geschlossenheit innerhalb der Parteien, ist sogar grösser als im Nationalrat, der nach Proporz gewählt wird und stark polarisiert ist. Die FDP kommt im Nationalrat auf einen Geschlossenheitswert von 85 (auf einer Skala von 0 bis 100), im Grossen Rat sogar auf 91 Punkte. Die Idee hinter einer Majorzwahl – unabhängige Personen zu wählen, welche dann die lokalen Interessen unabhängig von Ideologien vertreten – ist in der Bündner Politik also ein Hauch vergangener Zeiten.

Grafik: Die Geschlossenheit der Fraktionen im Grossen Rat und im Nationalrat im Vergleich. Je näher der Wert an 100 ist, desto geschlossener stimmen die Fraktionsmitglieder, je tiefer der Wert, desto mehr Abweichungen gibt es. Lesebeispiel: die FDP stimmt im Grossen Rat häufiger geschlossen als im Nationalrat.

 

Anzahl Kreise: Make Graubünden great again?

Zudem bedingt das vorgeschlagene System, dass die Kreise regelmässig an die Entwicklung in Graubünden angepasst werden, wenn ein Gebiet zu wenig oder zu viel Einwohnerinnen und Einwohner hat oder Gemeinden fusioniert werden. Diese Wahlkreisarithmetik kennen wir zur Genüge aus den USA als «Gerrymandering». Dort werden diese Anpassungen von der Mehrheitspartei regelmässig genutzt, um die eigene Macht zu zementieren und Grenzen willkürlich so zu ziehen, dass genehme Mehrheiten entstehen. Geführt hat dies zu einer tief gespaltenen Gesellschaft, welche erbittert streitet.

Schliesslich scheinen – ohne historisch gewachsene Kreise, ohne klare Regeln für Grenzen – die Wahlkreise auch willkürlich. Wieso wählt Ilanz/Glion mit Obersaxen Mundaun, statt mit Schluein und Sagogn? Wieso wählt Untervaz im Kreis Fünf Dörfer im Proporz, die grössere Gemeinde Domat/Ems aber neu als eigener Wahlkreis im Majorz? Wie werden neue Grenzen innerhalb einer Gemeinde erschaffen, wie beispielsweise in Davos? Die Folge ist eine ewige Debatte nach amerikanischem Vorbild über Struktur statt über Inhalte und die Zukunft Graubündens. Heute 39 Kreise, bei den nächsten Wahlen dann 43, später vielleicht 44, 45, 46 – die Strukturen werden zersplittert und Gebietsreform sowie Gemeindefusionen rückgängig gemacht.

Verpasste Chance für Ruhe

Für die Regierung ist es opportun, dem Wunsch der drei grossen Grossratsparteien zu folgen. Ob dadurch der Sache gedient ist, wird sich herausstellen. Denn ein Modell E wird es schwer haben. Gerade in der Volksabstimmung, wo enttäusche Proporzbefürworterinnen und -befürworter gemeinsam mit den betroffenen Gemeinden die realistische Chance haben, ein solches System an der Urne abzulehnen. Auch wenn die Vorlage angenommen wird, drohen Beschwerden vor Bundesgericht und dauernde Diskussionen über die «richtigen» Wahlkreise. Ruhe wird so nicht einkehren.

Dabei hätte die Regierung die Chance gehabt, die Diskussion um das Bündner Wahlsystem mittelfristig zu lösen: Indem sie ein Modell wählt, das repräsentativer ist, das nicht nur einseitig die geografische Vielfalt gewährleistet, das die demokratische Auswahl und Beteiligung fördert, das der politischen Realität der Arbeit im Grossen Rat entspricht und das nicht alle paar Jahre angepasst werden muss.

Nach der Regierung ist jetzt der Grosse Rat dran. Dieser hat die Chance, mutiger zu sein und Korrekturen anzubringen. Gerade «Die Mitte» könnte sich hier positionieren und neue Wege gehen. So liesse sich ein System finden, das in der Volksabstimmung eine Chance hat – und Graubünden könnte im Jahr 2022 ein repräsentatives Parlament wählen.

 

Die Modelle im Detail
Für das neue Wahlsystem Graubündens hat die Regierung mehrere Varianten prüfen lassen. Drei Modelle hat sie schliesslich in die Vernehmlassung geschickt. Hatte sie bei der Eröffnung der Vernehmlassung noch ein Doppelproporz (Modell C) vorgeschlagen, so ist sie bei der finalen Botschaft schliesslich auf das Modell E, ein Mischsystem zwischen Majorz und Proporz eingeschwenkt. Als dritte Option wäre ein vollständiger Majorz zur Debatte gestanden. Die drei Modelle im Überblick:

– Das Modell E (Mischsystem) unterbreitet die Regierung dem Grossen Rat. In der Vernehmlassung haben sich insbesondere die FDP, CVP und BDP für diese Variante ausgesprochen. In diesem Modell wird, wo möglich, weiter im Majorz gewählt. Wo nötig wird im Proporz gewählt. Dabei sind einige Wahlkreisanpassungen nötig: Die Kreise Avers und Rheinwald werden zusammengelegt (da der Wahlkreis Avers zu klein ist für einen eigenen Sitz), die Wahlkreise Rhäzüns, Ilanz, Oberengadin und Davos werden in kleinere Wahlkreise aufgespalten, da sie zu klein für einen isolierten Proporz sind. In Davos wird dabei die Gemeinde in drei einzelne Wahlkreise aufgespalten. Die Wahlkreise Chur und Fünf Dörfer sind gross genug für einen isolierten Proporz (nach Vorlage der Nationalratswahlen, ohne Listenverbindungen) und wählen neu im Proporz. Das Modell verlangt regelmässige Anpassungen der Wahlkreise, beispielsweise in naher Zukunft die Aufspaltung des Kreis Trins, oder bei Gemeindefusionen.

– Das Modell C (kantonsweiter Doppelproporz) war die Variante, welche die Regierung zu Beginn der Vernehmlassung unterstützt hatte. Für dieses Modell sprechen sich SP, SVP, GLP und Grüne aus, sowie einige betroffene Regionen und Gemeinden, welche im Modell E von Wahlkreisaufteilungen betroffen wären. In diesem Modell werden die heutigen 39 Wahlkreise grösstenteils beibehalten. Die Sitze werden kantonsweit in einem Doppelproporz verteilt. Die teils sehr kleinen Kreise würden wohl zu einigen gegenläufigen Sitzverschiebungen führen und die Kleinräumigkeit würde die Auswahl weiterhin klein halten. Alternativ wären auch die 11 Regionen als Wahlkreise möglich, welche bei der Gebietsreform die ehemaligen Kreise als Gebietskörperschaften abgelöst haben (Bezirksstufe).

– Das Modell A (Majorzsystem) wäre die kleinste Anpassung im Vergleich zum heutigen Wahlsystem, stösst aber auf viel Kritik. Zu kleine Kreise (Avers, eventuell auch Belfort und Alvaschein) werden mit grösseren zusammengelegt. Zu grosse Kreise (in welchen 59 der 120 Sitze im Grossen Rat gewählt werden) werden aufgespalten, sodass die Kreise weniger als 7000 Personen umfassen. Dadurch werden die Gemeinden Chur, Davos und Igis-Landquart in mehrere Kreise aufgespalten, Chur sogar in 7 Wahlkreise.

 


[*] Clau Dermont ist Politikwissenschaftler und Experte für die Politik des Kantons Graubünden. Er betreibt die Webseite grwatch.ch, welche das Stimmverhalten des Bündner Grossen Rates aufarbeitet und in zugänglicher Form publiziert.