Geschaffen wurde die Volksinitiative als Instrument, um den Gesetzgebungsprozess anzustossen. In der Praxis wird sie aber erstaunlich oft zur Verhinderung und Abschaffung eingesetzt.
Unsere Analyse zur angeblichen Flut von Volksinitiativen löste vielfältige Reaktionen aus. Sven Zollinger, Präsident der Jungfreisinnigen Bezirk Hinwil, argumentierte auf Twitter: «Im Prinzip ist jede Initiative eine zu viel.» Denn Initiativen führten im Falle einer Annahme zu neue Gesetzen und hohen Kosten.
Sind Initiativen also nichts als überflüssige Paragraphenfabriken und Kostentreiber? Um diese Frage zu beantworten, haben wir einmal die Titel der sämtlicher dokumentierter Volksinitiativen, die seit 1891 eingereicht wurden[1], statistisch ausgewertet.

Die Analyse gibt interessante Aufschlüsse über Inhalt und Zweck von Volksinitiativen. Überraschend ist beispielsweise, dass das am häufigsten verwendete Wort[2] «Schutz» (bzw. «Schutze») ist, das in 20 Titeln vorkommt. Auch Wörter wie «Abschaffung» (11 mal), «Begrenzung» (6 mal) oder «Stopp» (5 mal) kommen oft vor. Entgegen seines eigentlichen Zwecks, den Gesetzgebungsprozess anzustossen und neue Ideen einzubringen, scheint das Instrument der Volksinitiative häufig ein Instrument der Abwehr, der Abschaffung und der Verhinderung zu sein. Interessant ist auch, dass Volksinitiativen immer wieder Moratorien forderten, etwa ein EU-Beitrittsmoratorium oder ein AKW-Moratorium.
Verhältnismässig selten finden sich dagegen Wörter wie «Einführung» (6 mal), «neue» (5 mal) oder «Erhöhung» (4 mal). Und auch in diesen Fällen geht es vielfach nicht um etwas neues, beispielsweise bei der Initiative «Gegen neue Kampfflugzeuge».
Gehäuft tauchen ausserdem – wenig überraschend – Wörter wie «Schweiz» (11 mal) bzw. «Schweizer» (8 mal) auf. Auch «Recht» bzw. «Rechte» (11 mal) werden häufig eingefordert. Erstaunlich selten finden sich dagegen die Begriffe «Freiheit» (2 mal) und «Demokratie» (3 mal) bzw. «demokratisch» (2 mal), die in der politischen Debatte sonst inflationär gebraucht werden.
Weshalb aber wird die Initiative offenbar so oft als Instrument zur Verhinderung und Abschaffung eingesetzt?
Zweifellos können auch unter dem Vorwand eines «Schutzes» oder eines «Stopps» neue Gesetze und höhere Kosten verursacht werden. Nicht unwesentlich dürfte aber auch die Tatsache sein, dass Volksinitiativen häufig zweckentfremdet und gegen Vorhaben eingesetzt werden, die sich nicht mit einem Referendum bekämpfen lassen. Beispiele bilden die beiden Kampfjet-Initiativen der GSoA oder (teilweise) die Rothenthurm-Initiative.
Die Volksinitiative ist damit oft eine Art verkapptes Referendum – und damit alles andere als ein Kostentreiber.
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Edit (23.3.): Auf Anregung eines Lesers haben wir die Grafik noch etwas angepasst, so dass ähnliche Wörter nicht doppelt vorkommen. Am generellen Bild und an der Interpretation ändert sich dadurch nichts.
[1] Viele Initiativen, die vor 1978 eingereicht wurden, wurden allerdings nicht erfasst. Erst seit dem 1. Juli 1978 dokumentiert die Bundesverwaltung alle lancierten Volksbegehren systematisch. Analysiert wurden insgesamt 422 Initiativen.
[2] abgesehen von aussagelosen Wörtern wie «der», «die» oder «von».
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